Weil deutsche Hersteller „auf einem ziemlich hohen Ross“ sitzen, eröffnet die Familie Schnurrer in Gernlinden vor 50 Jahren die Niederlassung einer damals exotischen Marke. Deren Fahrzeuge werden bisweilen als „Reisschüsseln“ verspottet. Das ändert sich:
Von Stefan Salger
Maisach – In den Siebzigerjahren wird Japan bisweilen noch unterschätzt, gilt bestenfalls als talentierter Kopierer, wenn es um Fotoapparate und andere technische Geräte geht. Motorräder werden gerne als „Reiskocher“ verlacht, Autos als „Reisschüsseln“. In der heilen Welt des Wirtschaftswunderlandes kommt doch nichts an Mercedes, Porsche BMW und Co. heran. Toyota oder Mazda? Schon mal gehört, mehr aber meistens auch nicht. So ist das 1974, als Josef Schnurrer in Gernlinden in der Gemeinde Maisach seine Toyota-Niederlassung eröffnet. Es ist heute das älteste noch bestehende Autohaus dieser Marke im Landkreis Fürstenfeldbruck. Weltweit liefert sich der 1937 gegründete Konzern aus Fernost mit Volkswagen einen Kampf der Giganten – 2023 ist er mit gut elf Millionen produzierten Fahrzeugen wieder Nummer eins bei der Fahrzeugproduktion. Mitte der Siebziger war er auch schon die Nummer vier. Aber damals meinte mancher deutsche Hersteller noch, sich auf den Lorbeeren von Made in Germany ausruhen zu können.
Im Landkreis ist er der älteste noch bestehende Toyota-Händler
„Die saßen auf einem ziemlich hohen Ross“, konstatiert Josef Schnurrers Sohn Bernd und schmunzelt. Der 46-Jährige, dem „der Beruf des Kraftfahrzeugmechanikers schon in die Wiege gelegt wurde“, wie er selbst es ausdrückt, hat längst die Geschäftsleitung übernommen. Er hat bei Mercedes gelernt und keine Berührungsängste zu deutschen Herstellern (die Geländewagenmodell der G-Klasse findet er durchaus reizvoll und technisch anspruchsvoll, allerdings hat auch da Toyota mit dem Landcruiser als allgegenwärtiges „Buschtaxi“ auf dem Weltmarkt die Nase vorn). Damals hätten die deutschen Anbieter jedenfalls hohe Hürden aufgebaut für Betriebe, die sich ihnen als Markenhändler und -werkstatt anschließen wollten. Da wurde dann schon mal verlangt, dass Bewerber ein Ersatzteillager im Wert von mindestens 100000 Mark vorhalten. Deshalb machte letztlich auch nicht Opel das Rennen, sondern ebendie exotische Marke: Toyota. Das habe die Familien ie bereut. Aktuell beschäftigt das Autohaus drei Mitarbeiter in der Werkstatt und vier Voll-und Teilzeitkräfte im Büro.
Josef Schnurrer ist heute 84. Als die SZ anlässlich des 50-jährigen Bestehens an der Ganghofer Straße in Gernlinden vorbeischaut, kommt er im Blaumann auf einen Sprung aus der Werkstatt. Seine Frau Rosmarie sitzt hinter dem Schreibtisch am Rande des Ausstellungsraums und blättert in einem grünen Album, das gefüllt ist mit Schwarz-Weiß-Fotos sowie vergilbten Anzeigen und Zeitungsartikeln. In einem wird geschwärmt von Zweikreis-Bremssystemen, Abgasentgiftung und sogar serienmäßigen Kopfstützen, bevor deren Einbau überhaupt gesetzlich vorgeschrieben ist.
Wir haben damals ganz klein angefangen
erinnert sich die Seniorchefin. 1974 sind im Landkreis 150 Toyotas gemeldet. Nummer 151wird auf die Schnurrers zugelassen: ein knallrotes Toyota-Celica-Coupé. Der ganze Stolz von Rosmarie Schnurrer. Schnittig sieht es aus, findet sie. Und später stellt sich heraus, dass es ebenso robust ist wie andere Modelle des Herstellers. Erst vor ein paar Wochen habe ein Stammkunde seinen Wagen zur Inspektion gebracht – mit 505000 Kilometern auf dem Originalmotor, erzählt Bernd Schnurrer. Da schlägt sein Herz höher. Ein bisschen gemischte Gefühle hat er beim Thema E-Mobilität. Sicher, Hybridantriebe als Mischform aus Verbrenner und Elektromotor, das kann schon Sinn machen. Und sicher, Elektroautos sind konstruktionsbedingt weniger wartungsanfällig. Schnurrer fährt selbst eines. Aber die richtige Begeisterung kommt beim Chef des Autohauses auf, wenn er von Klassikern oder ihren Nachfolgemodellen spricht – wie Supra oder eben Landcruiser. Letztlich entscheide aber immer der Kunde. So ist das seit 50 Jahren. Und so soll es, geht es nach den Schnurrers, auch die nächsten 50 Jahre bleiben